Die Taufe
Von der Gemeinschaft getragen Freiheit entwickeln
Wer unbefangen ein Neugeborenes oder noch ganz kleines Kind sieht, der kann unmittelbar empfinden, dass es eine himmlische Welt geben muss, aus der dieses kleine Wesen stammt. Aus dieser mehr oder weniger bewussten Empfindung entsteht bei manchen Eltern der Wunsch, das eigene Kind zu taufen. Was geschieht denn eigentlich in der Taufe der Christengemeinschaft?
Die Beziehung zum Himmel und die Beziehung zur Erde
Tatsächlich stammen wir aus einer himmlischen Welt und verkörpern uns für die begrenzte Zeitdauer des Lebens in einem Leib auf der Erde. Dieser natürliche Vorgang, bei dem sich Himmlisches mit der Erde verbindet, findet bei jedem Menschen mit der Zeugung, der Geburt und beim Heranwachsen statt.
Es kann aber geschehen, dass man sich so fest mit der Erde verbindet, dass es nicht gelingt, auch wieder einen Zugang zur göttlichen Welt zu finden. Oder man lässt sich auf diese Verbindung mit der Erde nicht richtig ein und wird dadurch abgehoben und weltfremd. Beides kann aber kein christliches Ideal sein.
Die Taufe veranlagt eine gesunde Beziehung in beide Richtungen: zum Himmel und gleichzeitig zur Erde. Diese Doppelbeziehung ist aber eine Beziehung zu dem Gott, der selbst aus der himmlischen Welt stammt und sich aus freiem Willen mit der Erde verbunden hat: Christus
Natürliche Gemeinschaften und Christen-Gemeinschaft
Mit der Geburt verbinden wir uns sofort und ohne es selbst entscheiden zu können mit vielen Gemeinschaften: mit unserer Familie, mit unserem Volk, später mit einer Schulklasse, noch später mit Kollegen.
Diese Gemeinschaften sind nie ganz frei, denn sie gründen sich auf Vergangenheit, sie sind da, „weil“ bestimmte Bedingungen bestehen (weil wir leiblich verwandt sind u.s.w.). Selbst Freundschaften, die ja nicht von außen vorbestimmt werden, sind zunächst nicht ganz frei von diesen Bedingungen: sie entstehen, „weil“ wir uns sympathisch sind.
Durch die Taufe wird die Seele des Kindes eingebettet in eine Menschengemeinschaft, die nichts Zwingendes verbindet: Alle oben genannten Gründe einer Gemeinschaft tragen dort nicht. Nicht einmal Sympathie ist nötig, um sich mit dieser Gemeinschaft zu verbinden. Was aber ist dann das Gemeinsame, Verbindende?
Hier versammeln sich Menschen in der Stimmung: „Ich will Christus suchen. Ich will mich auf den Weg machen, mich mit ihm zu verbinden.“ Die Christengemeinschaft besteht nicht aufgrund einer Bedingung aus der Vergangenheit, „weil“ etwas schon besteht. Sie entsteht in jedem Augenblick neu zu einem gemeinsamen Ziel: „um zu“ suchen nach Christus. Die gemeinsame Basis ist die Zukunft, und dadurch entsteht ein hohes Maß an Freiheit.
Kindertaufe – noch keine Mitgliedschaft
In den ersten christlichen Jahrhunderten wurden ausschließlich Erwachsene getauft. Dies war zu gleich der freiwillige Entschluss, in die christliche Gemeinschaft einzutreten.
Bald entstand das Bedürfnis, schon kleine Kinder zu taufen, damit sie nicht als „Heiden“ starben. So entstand die Kindertaufe – die damit verbundene Mitgliedsaufnahme, die ursprünglich nur der mündige Erwachsene selbst beschließen konnte, blieb in den großen Kirchen auch für Kinder bestehen.
In der Christengemeinschaft werden Erwachsene nur in Ausnahmefällen getauft – für sie entsteht die Verbindung mit der Gemeinschaft durch das Abendmahl mit Brot und Wein in der Menschenweihehandlung.
Das Taufritual der Christengemeinschaft ist von vornherein als Kindertaufe veranlagt. Dabei wird das Kind nicht Mitglied der Christengemeinschaft. Es wird von der Gemeinschaft aufgenommen, in sie eingebettet und von ihr getragen. Die Frage, ob es sich später eigenständig mit der Christengemeinschaft als Mitglied in Beziehung setzen und verbinden will, wird bei der Taufe noch gar nicht gestellt. Der freie Entschluss, zu dem das Kind noch gar nicht fähig ist, soll nicht vorweggenommen werden.
Alle Sakramente der Christengemeinschaft sind daraufhin veranlagt, von Anfang an die Freiheit des einzelnen Menschen zu fördern.
Die Taufe und die Sonntagshandlung für die Kinder
Das Taufritual ist wie ein Same: wenn ich mich entscheide zu säen, fasse ich damit den Entschluss, die Pflanze auch weiterhin zu begießen und zu pflegen, damit sie wachsen und gedeihen kann.
Wenn Eltern sich entscheiden, ihr Kind in der Christengemeinschaft zu taufen, dann fassen sie damit den Entschluss, einen Weg zu beginnen. Jede verantwortungsvolle Erziehung geht einen Weg, der dem Kind hilft, später seinen ganz eigenen Weg zu finden. Auch die Taufe ist darauf angelegt, sich in einem religiösen Weg fortzusetzen. Der beginnt beim Feiern der christlichen Feste (Weihnachten, Ostern u.s.w.), kann den Alltag durchziehen mit einem Gebet z.B. vor dem Essen oder vor dem Schlafengehen und führt mit dem Schulbeginn wieder vor den Altar in die „Sonntagshandlung für die Kinder“. Mit der Taufhandlung wird ein Vorgang begonnen, der erst durch eine Fortsetzung im religiösen Alltag und dann im gemeinsamen Gebet in der Sonntagshandlung seine Wirkung im Kind entfalten kann.
Wasser, Salz und Asche
Das Kind, das bis zur Pubertät noch auf dem Weg vom Himmel zu Erde ist, wird in der Christengemeinschaft nicht in Wasser getaucht. Es wird an drei Orten des Leibes mit geweihten Substanzen berührt: mit Wasser, Salz und Asche. In ihrer Qualität repräsentieren diese drei die Grundkräfte der himmlischen Welt: geistige Beweglichkeit; Klarheit und Beständigkeit der Seele; die schöpferische Kraft, ganz Neues hervorzubringen. In der Taufe werden diese Kräfte mit dem Kind in Beziehung gebracht:
- An der Stirn wird es mit geweihtem Wasser getauft – im Denken wird die Kraft veranlagt, die Welt innerlich lebendig zu durchdringen.
- Am Kinn wird es mit geweihtem Salz getauft – im Willen wird die Kraft veranlagt, den Taten Richtung und Sinn zu geben.
- Auf der Brust wird es mit geweihter Asche getauft – im Herzen wird die Kraft veranlagt, die eigenen Empfindungen immer wieder neu zu verlebendigen und dadurch über die eigene Befindlichkeit hinauszuwachsen.
Durch die Berührung mit den drei geweihten Substanzen wird der natürliche Vorgang, sich mit der Erde zu verbinden, durchdrungen mit der Kraft des Christus, der die himmlischen Kräfte in die Erde trägt.
Wozu Paten?
Im frühen Christentum musste der erwachsene Täufling vor der Taufe seinem alten Glauben abschwören, und nach der Taufe sprach er das christliche Glaubensbekenntnis. Dies übernahmen bei der Einführung der Kindertaufe Paten, die selbst getaufte Christen waren. Später kam hinzu, dass die Paten das Kind adoptierten, falls die Eltern früh starben.
In der Christengemeinschaft hat sich die Bedeutung der beiden Paten vollständig verändert: Sie haben die Aufgabe, über den Augenblick der Taufe hinaus dem Kind innerlich voranzugehen, sein Schicksal wach und liebevoll als „Wächter“ zu begleiten.
„Gotteseltern“ (godparents) heißen die Paten auf Englisch. Zu den leiblichen Eltern treten zwei Menschen hinzu, die aus freien Stücken für dieses Kind Verantwortung übernehmen. Das heißt nicht, dass sie den Eltern in die alltägliche Erziehung „hineinpfuschen“. Sondern sie begleiten das heranwachsende Kind wie Schutzengel in guten Gedanken und im Gebet als „Himmels-Eltern“. So pflegen sie dessen Beziehung zu Christus – zu dem eigenen göttlichen Ursprung des Kindes und zugleich zu seinem inneren Stern, der ihm auf dem Lebensweg voranleuchtet.
Pate kann also werden, wer selbst eine Beziehung zu Christus pflegt und auf diesem Weg dem Kind vorangehen kann.
Text: Claudio Holland